Rauminstallation für das Georg Scholz Haus, Kunstforum Waldkirch
Vorbemerkung zum Übergewichtsproblem unserer Zeit
Der deutsche Mann hat meist nicht unter 1500 kg Stahl am Leib, es sei denn er will als Bürgermeister ökologisches Gewissen demonstrieren. Je größer sein Übergewicht, desto größer auch die meist krankhaft ausufernde Tendenz zur Verwechslung von Blinkgeber und Fernlichttaste…
Deutsche Frauen geben sich in der Regel mit deutlich weniger Rüstzeug zufrieden – ein fesches, schwarzes Mieder mit niedriger Gürtellinie und viel Einblick oft unter 1000 kg ist auf dieser Seite des Straßenkampfes eher angesagt.
Warum aber sind immer noch eher die Frauen für die Sauberkeit der Teller, die Männer aber für die Sauberkeit der Felgen zuständig? Noch nie sah ich eine Frau an der Seite ihres Autos kniend mit der Waschbürste Rußspuren und Pflanzenreste zwischen den Speichen der Alufelgen herausspülen –
was nicht heißt, dass die Frau ihre selbstbewegliche Einkaufstüte oder das großkalibrige benzingetriebene Haustier nicht mit gestrecktem Bleifuß durch 30km Zonen zu hetzen wüsste, wenn die Zeit zur Abholung im Kindergarten drängt…
Ich wünschte oft der Frau, die ich mir im Hause sitzend vorstelle, all die Zärtlichkeit, Inbrunst und das Fingerspitzengefühl, das der Mann, an dessen Garagentor ich gerade vorbeilaufe, auf den Knien soeben den Radkappen seines Autos zukommen lässt, so als bereite er tief gebeugt eine spirituelle Speisung für den ultimativen Feierabend vor, der auf ihn zukommt…
Zu den Vorbereitungen auf diese Ausstellung gehörte eine intensive Befragung des Werkes von Georg Scholz, dem Namenspatron des Ausstellungshauses. Ein Hauptwerk von 1926, das als originalgroße Reproduktion im Erdgeschossflur hängt (1), ist das Gemälde „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Scholz zeigt sich im Vordergrund rechts mit Paletot Mantel und Bowler in feierlicher Strenge kurz nach seiner Ernennung zum Professor an der Akademie Karlsruhe. Er tritt hier aber keineswegs in der Pose des Selbstsicheren und Erfolgreichen auf. Er schaut mit starrem Blick eher nach Innen als nach außen zum Betrachter hin, als treibe ihn eine existentielle Frage um, die lauten könnte: „Was mache ich aus diesem Erfolg? Will ich die kompromisslose Vermarktung, die es mir auch ermöglicht, einen Mercedes-PKW wie im Schaufenster links hinten im Bild zu erwerben? Würde ich nicht damit selber zu einem der Bonzen, gegen die ich noch vor fünf Jahren gekämpft habe?“
Diese Frage nach dem Umgang mit dem eigenen Erfolg scheint mir eine der wichtigsten und auch politisch brisantesten Fragestellungen in seinem Werk und ich habe sie in unsere Zeit projiziert: Das Automobil ist vom Luxusgegenstand zum Riesenerfolg der Moderne geworden. Die Verherrlichung der Dynamik des Automobils durch die italienischen Futuristen, mit denen Scholz am Ende des 1. Weltkrieges heftig sympathisierte, ist in Erfüllung gegangen. Trotzdem greift Scholz sie in seinem Bild gar nicht auf. Er zeigt das Auto im Schaufenster, seiner Dynamik beraubt, als Projektionsfläche konsumistischer Wünsche und Versuchungen.
Daraus entfalte ich hauptsächlich mit Papier und Pappe, mit Fotografien und einem 12-minütigen Video das Spektrum dieser Installation:
Das Auto als Körpererweiterung, die es uns ermöglicht, schwerelos durch den Raum zu gleiten.
Das Auto als Fetisch, also als ein mit magischen Kräften erfülltes Wesen, das uns ans Herz wächst, wie ein Haustier.
Das Auto als Kleidungsstück, ja als Reizwäsche im Geschlechterkampf.
Das Auto als Andachtsbild, das nahezu religiöse Empathie aus uns herauszukitzeln vermag.
Das Auto zugleich aber auch als Waffe, die standesgemäß im Kaliber ausufernd für den aggressiven Verdrängungskampf auf der Straße taugt.
Das Automobil schließlich auch als Menschen gemachtes Naturereignis, das uns selbst zu überrollen droht.