Gewächshaus VIII-IX 1999

Akustische Installation „Gewächshaus: Kalthaus / Warmhaus“
4. internationales Musikfestival „Was hören wir?“, Kaditzsch/Leipzig, 26.8. – 5.9.1999

Der Juttapark, ein bis 1990 weitgehend überwachsener Landschaftspark des 19. Jahrhunderts
im englischen Stil, liegt auf einer Anhöhe am Ufer der Mulde, 20 km südöstlich von Leipzig.
Im Rahmen des internationalen Musikfestivals werden hier, zwischen einem Ausichtsturm
am höchstgelegenen Punkt des Parkes und einer Schiffsmühle am Ufer der Mulde,
jedes Jahr „Hörspaziergänge“ durchgeführt.

Das auf dem Wasser schwimmende Mühlengebäude, ein zeitgenössischer Nachbau, der Forschungszwecken diente, beherbergt heute die Bewässerungspumpe des Jutta-Parkes.
Meine Installation „Warmhaus“ im Inneren des völlig abgedunkelten Gebäudes, besteht aus sechs nur schwach beleuchteten Blütenobjekten, deren Bewegungen auf das endlose Kreisen des Mühlenrades und seiner Klänge antworten. PC-Gebläse entfalten die Nylonblumen und formen ein sich rhythmisch veränderndes Feld organoider Maschinenwesen, über das durch zwei Wandöffnungen beständig die Schattenprojektion des sich drehenden Mühlrades hinweggleitet. Das Summen des vom Fluss gedrehten Mühlrades und der Wasserpumpe gibt zusammen mit dem Plätschern des Wassers ein kraftvolles Ostinato, das von den knisternden und summenden Kunstblüten mit großer Zartheit umspielt, variiert und beantwortet wird.

„Kalthaus“:
Die stabile Wehrhaftigkeit des Aussichtsturmes ist von vornherein ganz auf die Vertikale ausgerichtet.
Er wurde Ende des 19. Jahrhunderts als „Bismarckturm“ wie Hunderte anderer solcher „Schornsteine des
Nationalismus“ gebaut. Kreisförmige Grundfläche und spiralige Wendeltreppe formen einen hohen,
schlanken Innenraum, in den ein raketenförmiges, netzartig konstruiertes Gewächs eingepasst ist,
das ebenfalls durch Gebläse in Bewegung gesetzt wird.
Diesmal allerdings nicht in einem festliegenden Rhythmus,
sondern in Reaktion auf die Besucher, die die Aussichtsplattform des Turmes besteigen.
Über Bewegungsmelder eingeschaltete Haarföne beginnen wie Spinnen im Netz zu pendeln
und versetzen dadurch das ganze Objekt in eine unregelmäßige Drehbewegung
um die beiden Befestigungspunkte.

© 2012 Jan Blaß